Sonntag, 25. August 2013

Zaubern mit Zentrum, aber ohne Zauberstab

Ihr lest richtig, jawohl. Ein Hauch von Zauberei kehrte an diesem Wochenende in der Regionalsporthalle in Steilshoop ein.  Die Aikidoabteilung des Bramfelder Sportvereins in Hamburg richtete dort ihren jährlichen Vereinslehrgang aus – diesmal war Martin Glutsch 6. Dan aus Böblingen geladener Lehrer. Bereits Samstag wurde die Halle entsprechend für den Lehrgang hergerichtet: Es mussten ca. 300 qm Matten ausgelegt werden und die Kamiza wurde hergerichtet, mit wunderschönen Lilien und natürlich behielt Meister Ueshiba über jegliches Geschehen den Überblick.
Am Sonntag war dann Anreisetag bis 10:00 Uhr  in Hamburg, und nach und nach trudelten fast 50 Aikidoka in der Halle ein und wie sollte es anders sein: wieder waren viele bekannte Gesichter dabei, der Begrüßungsmarathon wollte einfach nicht enden: hier eine Umarmung, da ein Händeschütteln.
Um 10:30 Uhr Martin gab die Verantwortung des Aufwärmtrainings an jeden einzelnen ab, und so turnten alle Teilnehmer –intensiv oder weniger intensiv- über die Mattenfläche, um sich aufzuwärmen. Dann wurde in 2er-Reihe angegrüßt. Martin versprach sich größte Mühe zu geben, was sein Hochdeutsch betrifft; und so schwäbelte es nur wenig.
Kaum hatte Martin die ersten Atemübungen und Sabakiformen mit uns geübt, ging es auch schon voll zur Sache:  Sofort war allen klar, das wird anstrengend und fordernd, für Geist und Körper. Auch Martins gewählte Thematik war gleich nach der ersten Technik einleuchtend: Zentrumsverbindung und Führung.
Martin legte viel Wert darauf, dass die Zentren von Uke und Nage stets miteinander verbunden sind. Dies Aufgabe wurde sowohl Uke als auch Nage aufgetragen. Beide mussten ihren Teil dazu beitragen, damit sich die Zentren überhaupt verbinden konnten. Kam z.B. zu viel Energie von Uke, war es für Nage schwer eine Verbindung mit dem Zentrum einzugehen. Ähnliches gilt für zu wenig Energie. Es war also ein ständiges Spiel von Spannung und Entspannung, Geben und Nehmen, Verbinden und Lösen.
Aber schnell stellte man sich die Frage: Wie erreiche ich diese Verbindung? Martin zeigte hierzu eine recht beeindruckende Übung. In ai-hanmi Position berühren sich lediglich die Fingerspitzen von Uke und Nage. Durch einen minimalen Impuls auf das Zentrum des Ukes wird sofort eine Verbindung zwischen den Zentren erzeugt. Und wer sich nun fragt wie es dann weiterging, nun ja den Rest erledigt eben die Schwerkraft. Ich habe nicht sofort eine Verbindung finden können, aber je öfter man versucht, seine Zentren miteinander zu verbinden, desto besser funktioniert es irgendwann. Und man fühlt immer besser, wie der Partner mit dem man übt es schafft, sich mit dem eigenen Zentrum zu verbinden und anders herum.
Martin verdeutlichte das Prinzip der Zentrumsverbundenheit mit Hilfe der verschiedensten Aikido-Techniken wie z.B. Ude-Osae aus der Kata Grundstellung, Tenchi-Nage, Kaiten-Nage-Soto oder Sumi-Otoshi.  Auffallend (bzw. eher fast unsichtbar) waren die nur winzigen minimalen Körperbewegungen von Martin, welche uns Teilnehmer vor Rätsel stellte - es kursierten sogar Gerüchte von Zauberei.
Von allen wurde ein hohes Maß an Empathie und Einfühlungsvermögen in Uke bzw. in sich Selbst, als Nage abverlangt. Manchmal eine nicht ganz so leichte Aufgabe, wie ich im Laufe des Lehrganges herausstellen sollte.
Mittagspause um 12:30 Uhr. Es wurde nicht nur für genügend In-Put auf kognitiver oder motorischer Ebene gesorgt, sondern auch das leibliche Wohl sollte nicht zu kurz kommen: Wir gingen in den „Treff 44“, welcher unmittelbar in der Nähe der Halle war. Es gab ein reichhaltiges Buffet von italienischen Vorspeisen, Salat und als Hauptspeise Arrabiata und Lasagne und als Nachspeise Obst mit Mascapone-Sahne-Creme.
Nach dem Mittag begann dann die 2. Trainingseinheit ab 14:30 Uhr. Kugelrund gefuttert hatten alle Teilnehmer Mühe, die gefüllten Zentren wieder in Bewegung zu bringen. So verlagerte Martin die nächste Technik in die Horizontale: Nage lag auf dem Rücken, Uke griff Gyaku-hamni an. Im Liegen (das Zentrum konnte nicht mehr ungewollt zurück oder weg genommen werden) galt auch hier das Gleiche wie im Stehen – Zentrum verbinden und nach und nach erst das Handgelenk nach außen an den Arm des Uke bringen, den Ellbogen führen und dann langsam nach außen absenken.
Dann kam Martin mit Gemüse. Man stelle sich eine Karotte vor und der Uke versucht diese aus Gyaku-hanmi zu erwischen. Ein kleiner Atemi und die ai-hanmi Hand wurde zur eigentlich wichtigen geführten Hand und bot sich an für den Ude-osae. Hier war es Martin wichtig noch ein Mal auf die Gleichgewichtsbrechung des Uke einzugehen. Ist Uke bereits soweit, dass er sich fast am Boden abstützen will, dann sollte man ihm dies doch gerne ermöglichen. Tritt Nage in diesem Moment in das Zentrum von Uke ein, fungiert quasi als Platzhalter, dann bleibt Uke keine andere Wahl als sein Gleichgewicht aufzugeben und sich zu Boden führen zu lassen.
Alle Teilnehmer trainierten fleißig, übten sich in empathischen Einfühlungsvermögen und Zentrumsverbindung.  Martin bewegte sich stets mit einem Lächeln durch die Übenden und hinterließ hier und da gerne noch den einen oder anderen Geheimtipp.
Abschließend lässt sich nur sagen, wer diese Selbsterfahrung von Zentrumsverbindung nicht irgendwann einmal selbst gespürt hat, der hält es vielleicht wirklich für Zauberei. Und das ganz ohne Zauberstab… eben nur mit etwas Zentrum.
 

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