Samstag, 4. November 2017

Eine Schwingtür zum Mitfühlen

Schon lange freute ich mich auf den Vereinslehrgang des 
Bramfelder Sportvereins, meinem Heimatverein, da wir als Trainerin Sonja Sauer 3. Dan Aikikai aus Duisburg eingeladen hatten. Sonja begann in Hamburg ihre Aikidolaufbahn, somit war es auch für sie ein tolles Highlight, quasi „back to the roots“ im Norden einen Lehrgang zu geben.
Sonja hatte sich zum Thema des Lehrganges Ukemi und Kontakt überlegt. Eigentlich 2 Dinge die auf den ersten Blick für mich nicht wirklich zusammenpassen – dachte ich zum mindest bis heute.
Zwischen 11:00 und 13:00 Uhr trafen langsam die fast 50 Teilnehmer in der Halle ein – alte und neue Gesichter, gute Bekannte und Freunde wurden begrüßt und herzlich empfangen.
Nach dem gemeinsamen Angrüßen, führte uns Sonja durch eine sanft fordernde und doch sehr achtsame Aufwärmgymnastik, welche uns ideal auf das 1. Lehrgangsthema Ukemi vorbereiten sollte.
Die ersten Fallübungen fanden in Form von Rollen statt, auf dem Boden. Wir sollten die Arme als Stützräder nutzen um mehr seitlich abzurollen. Als nächstes machten wir die Käfer - bzw. Teddybär-Rolle, bevor es dann auch koordinativ anspruchsvoller wurde: in 3er-Gruppen zusammenschließen, einer steht, die beiden anderen sitzen am Boden – der Stehende sagt die Rollrichtung an und gleichzeitig rollen beide im Teddybär-Style um die Beine des Stehenden herum.
Dann wurde viel Fallhöhe erhöht: der Partner bildete einen Bock und der andere lehnte sich bzw. legte sich über den Rücken des Partners.
Auch bei erhöhter (im wahrsten Sinne) Anforderung des Ukemi war es hier wichtig, rechtzeitig den Kontakt zum Boden mit Hilfe des freien Armes zu suchen. Vorteilhaft war auch das „sich um den Partner herum wickeln“ und dann über den ausgestreckten, freien Arm die Kontaktaufnahme zur Matte zu finden.
Sonja verdeutlichte nochmals, dass es nicht ein Abstoßen mit den Füßen vom Boden war, sondern ein bewusstes Aufgeben des eigenen Gleichgewichtes (und ein bisschen auch die Schwerkraft) was einen in das Ukemi hinein begleitet. Technisch gesprochen: je kleiner der Winkel zwischen Oberkörper und Beine wird, desto weicher und einfacher das Fallen üben den Partner.
Bei jeder Übung betonte Sonja auch, dass es immer wichtig ist, seinen Körper durchlässig zu lassen, entspannt und locker zu sein.
Nach einer Weile Üben wurde die Höhe wieder neu angepasst und es durften sich alle aus dem Stand an der „neuen“ Vorwärtsrolle versuchen. Auch hier gab Sonja uns die Idee mit, den eigenen Körperschwerpunkt über eine imaginäre Achse (waagerecht zum Boden) zu bewegen.
Dies alles funktioniert natürlich auch in einer Partnerübung. Der Angriff war katate-tori-gyaku-hanmi .
Zunächst ging es nicht um eine Technikausführung, sondern eher darum Kontakt zum Partner zu finden, zu spüren wie der Partner zu einem steht, die Ausrichtung des Zentrums vom Partner zu einem selbst und den Griff, denn ein guter, kontrollierter (An)griff schützt auch den Uke selbst.
War so erst mal eine gute Verbindung zwischen beiden hergestellt fühlt es sich an, wie eine Schwingtür, die mal in Richtung Uke und mal in Richtung Nage aufgehen kann.
Unwillkürlich musste ich grinsen und daran denken, wie es sich wohl bei einer Drehtür anfühlen mag?
Sonja hatte ein gutes Auge für sämtliche Korrekturen und ließ die Leute selbst erspüren, indem sie angriff, welches Gefühl bzw. in welcher Intensität die Schwingtür sich bewegen sollte.
Nachdem die ersten 2 Std. Training bei so viel Ukemi wie im Flug verstrichen gab es eine kleine Mittagspause.
Die Mitglieder des BSV hatten für ein ausgewogenes Buffet inklusive Kaffee und Getränke gesorgt, was von allen Teilnehmern dankend angenommen wurde (vor allem die weltbesten Pizzaschnecken).
Nach der Pause widmeten wir uns dem 2. Lehrgangsthema Kontakt.
Mit einer kleinen Vorübung zum Wiedereinstieg verdeutlichte uns Sonja, dass es auch hier um Lockerheit und Beweglichkeit ging.
Durch den festen und gezielte Griff des Uke, wie ein Oktopus um die Handgelenke des Nage, kann Nage den Uke nach unten in die Knie und weiter bis zum Sitzen führen, um ihn dann gezielt in die Rückwärtsrolle zu schicken.
Sollte Uke jedoch eine Lücke in der Führung des Partners bemerken, übernahm dieser die Führung und der andere durfte rückwärts rollen. So war es angeraten die Ellenbogen immer möglichst nahe am Körper bzw. am Zentrum zu behalten um den Konter gar nicht erst zuzulassen.
Dann setzte Sonja das Training wieder mit Ukemi und Kontakt fort, indem nun beides miteinander verbunden wurde.
So übten wir einen Kokyo-nage oder auch einen Kaiten-nage-uchi immer mit Aufmerksamkeit auf Uke, dessen Bewegungsrichtung und eben der besagten Schwingtür. So wurde wieder besonders deutlich, dass Nage ohne Uke nicht kann und umgekehrt auch nicht - für Aikido, eine Schwingtür und das Fühlen braucht man eben immer mindestens 2.
Für mich ganz persönlich kann ich sagen, dass ich diese „einfach etwas andere Art“ von Aikido, Partnerkontakt, körperliche Aufmerksamkeit und Zentrumsarbeit zusammen mit Uke, schon ziemlich gerne hab.
Vielen Dank, liebe Sonja für diese inspirierenden Anregungen und dein „Schwingtür-Aikido“.
Ein Dankeschön geht auch an die Mitglieder des ausrichtenden Verein Bramfelder SV – für die Organisation und Verpflegung.

Bis bald auf der Matte, Tina