Dienstag, 21. Oktober 2014

ZEN - Zentrum, Energie und Nichts Tun


Bundeswochenlehrgang vom 11.-18.Oktober 2014 mit Martin Glutsch 6. Dan im Leistungszentrum Herzogenhorn auf dem Feldberg im Schwarzwald

 

Dieser Lehrgang musste definitiv noch auf die "To-Do-Liste" und so war schnell klar, dass wir uns rechtzeitig angemeldet hatten.

Da Vorfreude ja bekanntlich die größte Freude ist, konnte ich es kaum erwarten, bis es dann endlich so weit war. Der Termin rückte immer näher und so kam es, dass wir uns am Samstag den 11.10 pünktlich um 6:55  Uhr am Hamburg Hbf trafen, um uns mit dem Zug auf den Weg zum Feldberg machten. Mit ein paar Mal Umsteigen und 2 Stunden Verspätung kamen wir noch rechtzeitig um 16:30 an der Station Freiburg-Bärental an, welche übrigens mit 965 m. ü. d. M. die höchste Bahnstation Deutschland ist.

Von dort ging es dann mit dem Bus weiter bis zum Fuße des Feldberges. Per Telefonat benachrichtigen wir einen der bereits angereisten Teilnehmer, um uns samt Gepäck die letzten Meter bis nach oben mit dem Auto mitzunehmen.

Nach und nach trafen auch alle anderen Teilnehmer ein und wir versammelten uns im Besprechungssaal. Dort hielt Martin eine kurze Ansprache und informierte uns über Ablauf des Trainings, Essenszeiten und Organisatorisches. Schnell wurde im Anschluss dann noch die Mattenfläche aufgebaut. Anschließend wurden die Zimmer bezogen und es ging zum Abendessen. Schnell stellte sich die gewohnt entspannte und angenehme Atmosphäre ein (wer schon mal auf dem Horn war, weiß wovon ich spreche!)

Um 19.30 bat Martin uns das erste Mal alle auf die Matte - für ein Kennenlerntraining.

Für die Erwärmung war jeder selbst zuständig und so wuselten einige ganz emsig umher, andere wiederum bevorzugten das mentale Aufwärmtraining.

Sobald Martin begann sich auf der Matte zu bewegen, drängte sich bei allen Teilnehmern die gleiche Frage auf: "Wie macht der das bloß, ohne sich nicht zu bewegen?" Die Antwort auf unsere Reaktion bekamen wir postwendend. Nach dem leicht amüsierten Lächeln zu urteilen, kannte Martin diese Reaktion wohl schon und sagte: " Meine Bewegungen sind eben so klein, das ihr sie nicht seht!" Und so war auch der rote Faden klar, der uns über die gesamte Woche hin begleiten sollte: Zentrumsverbindung, Einfühlen und kraftloses Arbeiten. Zur besseren Verdeutlichung dessen was Martin uns zeigte, versuchte er uns Bilder zur besseren Vorstellung und Umsetzung mitzugeben. So war es beispielsweise wichtig, die Hände vor dem Zentrum zu belassen. Würde man dabei einen Jo in den Händen halten sollte dieser senkrecht stehen, nicht waagerecht. Zum besseren Spüren des eigenen Zentrums und der Energieübertragung auf den Uke, schlürften wir alle bildlich einen heißen Tee der langsam bis in den Bauch floss und alle durften Streicheleinheiten an ihren Uke verteilen. Durch diese Lockerheit wollte Martin eine Verbindung der Zentren von Uke und Nage erreichen. War diese Verbindung hergestellt, konnte man durch kleinste Bewegungen seines Zentrum den Uke bewegen. So verstrichen die ersten 1,5 Std. Training schnell und alle trafen sich nach kurzer Auffrischung im Speisesaal auf eine Erfrischung um sich auszutauschen, zu spielen oder um einfach seinen eigenen Gedanken nachzugehen.

Die nachfolgenden Tage verliefen stets nach einer fest vorgegebenen Reihenfolge: Essen, Aikido, Schlafen, Essen, Aikido, Essen, Schlafen.

Martin versuchte uns eine breit gefächerte Auswahl an Aikidotechniken -querbeet durch die Prüfungsordnung- anzubieten, in denen immer wieder folgende Elemente auftauchten: Entspannt sein, Zetrumsverbindung, Ukeverhalten.

Zum Thema Ukeverhalten gab uns Martin mit auf den Weg, auf das Gleichgewicht zu achten. Als Uke sollte man stets versuchen, im Gleichgewicht zu stehen, seine Ausrichtung zu wahren und dem Partner die benötigte Energie zu geben, damit Nage die Technik ausführen kann. So muss sich nicht nur der Nage auf den Uke einstellen, sondern auch der Uke auf den Nage.

Mit Hilfe des Shiho-Nage zeigte uns Martin, wie wichtig die Grundspannung des Uke ist. Nach dem Angriff stehen Uke und Nage in ai-hanmi Position, Nage legt die Handfläche auf den Unterarm von Uke und erspürt: kommt Druck, kommt Zug? Sobald Nage etwas erspürt, lässt dieser den Druck zu und dreht sich in die Abwurfposition ein.

Auch der Kaiten-Nage-Uchi diente an gutes Anschauungsobjekt, so gingen Uke und Nage lediglich Kontakt über die Handflächen ein. Dieser musste so lange wie möglich von beiderseits aufrecht erhalten werden.

Da jedoch dieser Kontakt meist nicht ausreichte, um Uke zu bewegen, kam ein weiterer wichtiger Punkt zum Tragen: Zentrumsverbindung. Martin versuchte uns näher zu bringen, dass jede Technik erst dann funktioniert, wenn die Zentren von Uke und Nage miteinander verbunden sind. So wurde diese Verbindung, ganz abhängig von der jeweiligen Technik immer ein wenig anders hergestellt: Mal durch Schub auf das Zentrum, mal durch Zug, oder auch durch leichten Druck auf das Zentrum von Uke. Weiterhin wichtig war dann auch, das Zentrum des Partners zu besetzen, bzw. seinen Platz einnehmen zu wollen.

Auch hier nutzte Martin z.B. den Irimi-Nage oder eine Übung aus Za-Ho, wobei Uke, Nage von hinten an die Schultern greift. Nage versucht mit dem Zentrum des Nage in Verbindung zu treten, durch eine Rotation der Schulter auf dieses zu wirken und Uke in die Rolle zu begleiten.  

Als weiteres Element betonte Martin auch, dass sich die Aus- und Durchführung jeder Technik locker und entspannt anfühlen sollte. Locker? Entspannt und ganz ohne Kraft? Auch hier schaffte es Martin Verblüffen in die Gesichter der Teilnehmer zu zaubern. Alle Ukes, welche Martin über die Woche hinweg angegriffen hatten, bestätigten, dass sie keinerlei Gewalt, Kraft oder gar Schmerz verspürten - lediglich eine Spannung und Zentrumsverbindung.

Wie erreicht man also diese Lockerheit und Entspanntheit beim Ausführen der Technik? Ich glaube für mich herausgefunden zu haben, dass es mit dem Kopf zusammenhängt. Sobald man anfängt sich Gedanken darüber zu machen, welcher Fuß wohin soll, der Arm zum Boden geführt werden soll oder man unbedingt will, dass sich das Zentrum jetzt bewegt - dann geht nichts mehr! dahinter steckt das Geheimnis des absichtslosen, kraftlosen und entspannten Aikidos. Sobald eine Bewegung absichtslos wird, muss man nicht mehr darüber nachdenken. Und sofort verspürt man den Unterschied, sei es in der eigenen Körperbewegung oder auch im Verhalten und Bewegungen des Uke.

Allen Teilnehmern gelang es durchweg, im Verlauf der Woche immer besser, sich ihn ihre Ukes einzufühlen, sich mit den unterschiedlichen Zentren zu verbinden und darüber hinaus auch kraftloser und lockerer Aikido zu üben. Und wer weiß, vielleicht wurde der eine oder andere ja doch nachhaltig dazu inspiriert, ein wenig einfühlsamer, verbundener und vor allem lockerer und kraftlos Aikido zu üben und weiterzugeben.

 Ein herzliches Dankeschön an Martin Glutsch, der in dieser Woche seinen Weg des Aiki gemeinsam mit allen Teilnehmern ein Stück weiter gegangen ist und uns sein Aikido näher gebracht hat.


Liebe Grüße Tina

 

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