Samstag, 26. Juni 2010

Aikido aus Böblingen - was ganz anderes!?





Kieler-Woche-Lehrgang vom 26.-27. Juni 2010 mit Martin Glutsch 6. Dan

Am Wochenende vom 26-27 Juni trafen sich wieder ein Mal viele Aikidoka aus dem nördlichen Raum um einen sehr guten Meister zu genießen: Martin Glutsch war zu Gast in Kiel.
Er hatte bereits die ganze Woche (ja, es ist auch Kieler-Woche) bei Markus Hansen verbracht und dort auch das eine oder andere Training geben dürfen. Als wir um 14.45 ankamen, waren bereits die meisten in der Halle versammelt: Ein kurzes Begrüßen aller bekannter Gesichter und ab in die Umkleide zum Umziehen. Markus bat uns, sich selbstständig aufzuwärmen, da ein richtiger Aikidoka, wie Martin, nicht wirklich was von 15-20 minütiger Gymnastik-Action halten würde.
Als dann endlich alles warm war und sich der große Zeiger der Uhr gen 15 nährte, ging es auch endlich los.
Martin eröffnete den Lehrgang mit den Worten: "Man muss nicht viel hören um Aikido zu machen, Aikido wird mit den Augen wahrgenommen, also schaut mir zu und ihr werdet besser verstehen, als wenn ich viel rede!" Wir taten wie uns gesagt wurde und schauten zu.
Die erste Technik bestand aus dem Angriff Ai-Hamni. Der Nage schnitt praktisch mit der Tekatana die Hand des Uke und begab sich weg von der Angriffslinie, auf die andere Seite und hinter den Uke. So wurde das Gleichgewicht gebrochen, die freie Schulter des Uke kam hervor und Nage konnte Uke durch leichten Zug zu Fall bringen. Das ganze erinnerte mich an ein Stück Wäsche ausschütteln. Als nächstes folgte ein Kaiten-Nage Uchi mit einem angebotenen Ai-Hamni aber gegriffenen Gyaku-Hamni. Allerdings wurde der Kaiten-Nage nicht geworfen, sondern der Partner zwischen die Beine des Nages nach unten hin abgelegt. Martin wies uns auch hier drauf hin, zentriert und in Verbindung mit Ukes Zentrum zu arbeiten. Wie dies in Perfektion funktionierte demonstrierte uns Martin immer wieder beim Vorführen in der Mitte. Ich bin davon noch Lichtjahre weit entfernt!
Als nächstes übten wir den Ude-kiminage aus Ai-hamni mit einem Hauch von Kaiten-Nage Uchi. Der Nage sollte durch einen Seitenwechsel und das Führen der Hand das Gleichgewicht brechen. Der Abwurf geschah nicht etwa durch Schieben oder brutales Hebeln über den Ellbogen - sondern durch simples Absenken des Zentrums. Eine faszinierende Bewegung!
Martin zeigte uns den Sumi-Otoshi aus Ai-Hamni und erwähnte dabei, dass man sich so wenig wie möglich bewegen sollte. Durch Martins zentriertes Arbeiten sah es bei ihm auch wirklich so aus. Bei mir allerdings haperte es noch an der Umsetzung dieser "Bewegungslosigkeit". Auch hier ging es beim Abwerfen wieder um das Absenken des Zentrums und das spiralförmige Runterführen der Hand im Technikverlauf.
Um 16.30 legten wir eine halbe Stunde Pause ein. Die Kieler hatten sich um eine angemessene Verpflegung mit Obst, Kuchen, Süßigkeiten und ein wenig Herzhaftem gekümmert, sodass wir alle gesättigt und gestärkt in die 2. Halbzeit starten konnten. Es ging weiter mit einem Kokyo-Nage aus Gyaku-Hamni. Nage hatte die Aufgabe den Arm des Uke, mit beiden Händen durch Ausstreichen vom Gesicht bis zu Hand, den Arm nach unten und so auch in die Vorwärtsrolle zu führen. Die nächste Technik war ein Kaiten-Nage Uchi, allerdings wurde nicht der Arm zum Abwurf als Hebel genutzt, sondern der Kopf. Der geführte Arm von Uke, wurde einfach an die Hüfte gelegt. Durch Streicheln über den Rücken bis zum Hinterkopf nach vorne unten und mit Hilfe eines unterstützenden Zentrumseinsatzes wurde Uke geworfen. Martin wies uns darauf hin, bei der Aufnahme nicht das Bein so hochzuheben, wie als wenn ein Hund an einen Baum pinkeln würde. Dies könne man auch dezenter ausführen. Und auch dabei ging es um die Gleichgewichtsbrechung.
Es mag verwunderlich erscheinen, dass „nur“ so wenige Techniken geübt wurden, dafür konnten alle die Techniken sehr lange und intensiv üben.
Martin klatschte ein letztes Mal ab, und wir versammelten uns am Mattenrand um dieses wirklich gute, aber auch sehr intensive und anstrengende Training zu beenden.
Markus wies noch mal darauf hin, dass die Kieler Woche, bzw. der dort aufgebaute Guinness-Stand doch der ideale Treffpunkt sei, für den einen oder anderen Plausch und sicher auch das eine oder andere Bierchen.
Am Sonntag war es nicht sehr schwierig zu unterscheiden, wer gefeiert hatte und wer nicht: die Augenringe sprachen Bände. Auch die Anzahl der Aikidoka auf der Matte hatte sich dramatisch reduziert. Umso mehr Platz hatten die anderen zum trainieren.
Dieses Mal verzichtete Martin nicht ganz auf eine kleine Gymnastik. Wir liefen alle durcheinander, beim Begegnen einfach hochspringen und mit dem anderen in die Hände klatschen – gar nicht so einfach mit knappen 1,60 m Körpergröße.
Dann machten wir ein paar Gleichgewichtsübungen, und dem Tenkan-Ashi um ganz langsam wieder in das Gefühl der Zentrumsarbeit zu kommen und Gestriges wieder aufzugreifen. Dann ging es mit einem Kaiten-Nage Uchi aus gyaku-hamni weiter. Hier gab es wieder die Anweisung den Partner nicht über das stabile vordere Standbein, sondern ihn über die schwache Achse zwischen seinen Beinen zu werfen.
Martin zeigte uns dann einen Kote-Gaeshi aus Gyaku-hamni, wobei man die Hand des Uke schneiden musste, sodass auch sofort eine Gleichgewichtsbrechung eintrat, und der Nage die Technik in Ruhe ausführen konnte, auch ohne dem Uke das Handgelenk in Trümmer zu legen.
Dann ging es zum Ryote-tori Tenchi-Nage über. Martin verdeutliche uns auch hier, den simplen fast unbeschwerten Einsatzes des Zentrums.
Alle waren sehr fleißig am Üben, trotzdem es relativ warm war und die Kräfte langsam zu schwinden schienen.
Danach machte Martin mit einem Royto-tori Kokyo-Nage weiter. Hier war der eigene Schutz –vor Tritten oder anderen unerwarteten Angriffen von Uke- entscheidend. Man begab sich zur richtigen Ausführung der Technik sehr dicht an Uke heran, und so zeigte Martin uns, dass man durch den gezielten Einsatz der Hand das Knie blockieren konnte. Somit wurde der Seitenwechsel eingeleitet und der Uke durch Absenken des Zentrums zu Fall gebracht.
Als nächstes zeigte uns Martin eine relativ –für die meisten- neue Art, den Ushiro-ryote-tori anzugreifen und durchzuführen. Die Ausgangssiutation war eine Ai-hamni Position, wodurch sowohl der Angreifer als auch der Verteidiger sich gegenseitig kontrollieren konnten. Aber sobald einer seine Position leicht änderte und die Hand auf sein Zentrum zubewegte, konnte der andere den Ushiro durchführen und die 2. Hand von hinten ergreifen.
Aus dieser Art des Angreifens ging es dann in einen Ude-Osae als Vorübung für die nächste Technik. Dabei musste auf die gegenläufige Bewegung der Arme bei der Übernahme geachtet werden. Einigen –darunter auch mir- bereitete dieses wichtige Detail ein paar Schwierigkeiten.
Im Anschluss folgte dann eine ziemlich „verknotete“ Technik. Martin erwähnte nur, es sei gar nicht so schwer, wie es aussehen würde und ließ uns mit einem auffordernden Klatschen eifrig Üben.
Der Angriff war der oben genannte Ushiro-ryote-tori, dann unter der ersten Hand drunter tauchen, den vorderen Fuß wegnehmen, das Zentrum um 180 Grad und wieder zurückdrehen und weg war der Uke. Auch hier wurde wieder auf das präzise Arbeiten mit dem Zentrum, das Ausnutzen der rotierenden Hüfe und die Verbindung mit dem Partner hingewiesen. Leider sollte dies auch schon die letzte Technik gewesen sein. Alle knieten mehr oder weniger verausgabt und erleichtert ab und wir verneigten uns gemeinsam mit –und natürlich auch für- Martin vor Morihei Ueshiba.
Natürlich gab es mal wieder Standing Ovation für Martin Glutsch und das obligatorische Lehrgangsgeschenk durfte auch nicht fehlen: Markus hatte einen Kriminalroman, der im hohen Norden, nämlich in Hamburg spielte, und wie konnte es anders sein eine Wuwuzela organisiert. Mit den Worten: „Wir wollen hören, ob du auch wirklich am Flughafen angekommen bist.“ verabschiedete sich Markus. Steffi war so lieb und organisierte für Markus noch eine Kleinigkeit, der sich wirklich sehr viel Mühe mit der Organisation und den Matten-Transporten gemacht hatte.
Ein großes Dankeschön an alle die mitgeholfen haben diesen Lehrgang zu so einem schönen Erlebnis zu machen, egal ob vom menschlich, organisatorischen oder verpflegungstechnischen. Es fehlte an Nichts! Und natürlich auch ein großes DANKESCHÖN an Martin Glutsch, der eben doch Aikido mal ganz anders macht!
Aber zu guter Letzt würde mich wirklich brennend interessieren, ob Martin es wohl wirklich mit der Wuwuzela im Handgepäck durch die Sicherheitskontrollen am Flughafen geschafft hat?

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